Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen
Die verzögerte/verspätete Abgabe von Steuererklärungen kann dem Steuerzahler finanzielle Vorteile oder, je nach seiner persönlichen Finanzsituation, finanzielle Nachteile bringen. 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres in dem die Steuer entstanden ist, beginnt der Zinslauf gem. § 233 AO (Abgabenordnung (Ausnahme: Landwirte/23 Monate).
Hinweis: Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz wurde die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2021 um sechs Monate bis zum 31.08.2023 verlängert. Der Beginn des Zinslaufs verlängert sich für die Einkommensteuer des Jahres 2021 auf dem 01.10.2023. Die Steuererklärungen für das Jahr 2022 sind bis zum 31.07.2024 abzugeben. Hier verlängert sich der Beginn des Zinslaufs auf den 01.09.2024.
Nach dem Änderungsgesetz wird der Zinssatz für Zeiträume ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 % je Monat und damit 1,8 % p.a. gesenkt und damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst (§ 238 Abs. 1a AO).
Für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 betragen die Zinsen weiterhin gem. § 238 Abs. 1 AO 0,5 % je Monat und damit 6 % p.a.
Der Zinslauf endet mit Ablauf des Tages an dem die Steuerfestsetzung wirksam ist (Datum des Bescheids). Auf Steuernachzahlungen sind Zinsen an das Finanzamt zu zahlen. Auf Steuererstattungen werden Zinsen vom Finanzamt erstattet. Die Fachwelt spricht hier von „Vollverzinsung“. Die Zinsfestsetzung erfolgt durch das für die Besteuerung zuständige Finanzamt. Die Erstattungszinsen (Zinserträge) gehören bei Privatpersonen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs.1 Nr. 7, Satz 3 EStG). Dies wurde auch für die früheren Jahre durch die BFH-Rechtsprechung bestätigt (BFH v. 12.11.2013 – VIII R 36/10). Dementgegen können die Nachzahlungszinsen (Zinsaufwand) bei Privatpersonen seit 1999 (Gesetzesänderung zum Sonderausgabenabzug) nicht steuermindernd geltend gemacht werden und stellen Kosten der privaten Lebensführung dar (Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 15.6.2010 BFH VIII R 33/07). Bei zu erwartenden hohen Steuernachforderungen kann die damit zwangsläufig folgende Zinsbelastung zu einem großen Ärgernis werden. Eine verzögerte Fallbearbeitung oder ggf. sogar „schlampige Verschleppung“ der Steuerveranlagung durch das Finanzamt, ist für die Zinsfestsetzung unerheblich. Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Zinssatz weit über dem aktuellen Zinssatz auf dem Kapitalmarkt liegt. Diese Auffassungen sind durch die Rechtsprechung bis dato leider gefestigt.
Hinweis: Ist mit hohen Steuernachforderungen zu rechnen, sollte kurz vor dem Beginn des Zinslaufes die zu erwartende Steuernachzahlung (gem. Steuerberaterberechnung) als Sondervorauszahlung für das betreffende Jahr geleistet werden (Beispiel. „Steuer-Nr., Sondervorauszahlung Einkommensteuer 2022“. Die Zahlung sollte damit für Steuerfestsetzungen des Jahres 2022 bis zum 31.07.2024 erfolgen. Im § 233a Abs. 8 (neu) AO wird die Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund „freiwilliger“ Zahlungen nun gesetzlich verankert.
Alternativ und oft einfacher ist es bereits mit Abgabe der Steuererklärung die Festsetzung einer nachträglichen Vorauszahlung in Höhe der erwartenden Steuernachzahlung zu beantragen. –
Ein nahezu unvermeidbares Ärgernis ist die Verzinsung von Steuernachforderungen die sich aufgrund von Änderungen anlässlich einer Betriebsprüfung ergeben. Betriebsprüfungen finden in aller Regelmäßigkeit in späteren Jahren und dann für einen Zeitraum von drei Jahren statt. Eine im Jahr 2023 durchgeführte Betriebsprüfung umfasst damit in der Praxis die Jahre 2019 – 2021. Kommt es beispielsweise zu Steuernachforderungen für das Jahr 2019, fallen hier bereits Zinsen in Höhe von ca. 15% – 20% auf den nachzuzahlenden Steuerbetrag an. Überraschungen bei Betriebsprüfungen sollten durch eine gute Steuerberatung bereits im Vorfeld vermieden werden.
Neben den Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen, kennt die Abgabenordnung auch Zinsfestsetzungen aus anderen Gründen. Beginnen wir mit den Stundungszinsen gem. § 234 AO. Das Finanzamt ist anerkanntermaßen kein Gläubiger Dritter Klasse. Soweit das Finanzamt für festgesetzte und fällige Steuern Stundung gewährt (Stundungsantrag gem. § 222 AO), sind die gestundeten Beträge zu verzinsen. Für die Dauer einer gewährten Stundung von Steuerschulden werden Stundungszinsen berechnet. Für den gleichen Zeitraum fallen dann keine Zinsen gem. § 233a AO an. Auf die Berechnung von Stundungszinsen kann im Einzelfall aus Billigkeitsgründen (Antrag gem. § 227 AO) verzichtet werden. In der Praxis bilden hier Billigkeitsregelungen jedoch die Ausnahme. Die Finanzverwaltung setzt hier für eine positive Ermessensentscheidung enge Grenzen.
Soweit die Vollziehung einer Steuerfestsetzung wegen eines laufenden Steuerstreitverfahrens ausgesetzt wurde, dass dann am Ende nicht zum gewünschten Erfolg oder nur zu einem Teilerfolg führte, fallen für die noch zu zahlenden Steuern Aussetzungszinsen an. Der Zinslauf beginnt mit dem Eingang des Rechtsbehelfs bei der Finanzverwaltung oder mit Wirkung der gewährten Aussetzung der Vollziehung. Der Zinslauf endet mit Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung. Für den gleichen Zeitraum fallen keine Zinsen gem. § 233a AO an. Es bleibt damit bei einer Zinsbelastung von 0,5% je Monat. Auf die Berechnung von Aussetzungszinsen kann im Einzelfall ebenso aus Billigkeitsgründen verzichtet werden. – Auch Steuerhinterzieher müssen für die hinterzogenen Steuern Zinsen bezahlen (Hinterziehungszinsen gem. §235 AO). Auch hier gilt, dass für den gleichen Zeitraum keine Zinsen gem. § 233a AO anfallen und es damit bei einer Zinsbelastung von 0,5% je Monat bleibt. Der Zinslauf beginnt jedoch mit Eintritt der Steuerverkürzung / Vollzug der Tat und damit Erlangung des Steuervorteils. Dies ist die Bekanntgabe des fehlerhaften Steuerbescheides. Mit Rücksicht auf die 10jährige Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung (§ 169 AO) und der Anlaufhemmung, kann es im Hinterziehungsfall zu einer erheblichen Zinsfestsetzung kommen. Blickt man dann noch auf die Summe der hinterzogenen Steuer und das Aufgeld das ggf. zu Einstellung eines Strafverfahrens gezahlt werden muss, können die tatsächlichen Belastungen schnell über den erzielten Einkünften liegen.
Festsetzung von Säumniszuschlägen:
Steuerzahler die ihre Steuern nicht zahlen werden mit Säumniszuschlägen gem. § 240 AO belastet. Säumniszuschläge werden ebenso vollautomatisiert berechnet und fallen unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen an. Der Säumniszuschlag beträgt 1% des abgerundeten (durch 50 teilbaren Betrag) rückständigen Steuerbetrages je angefangenen Monat. Dies führt zu einer Zinsbelastung von 12% p.a. Für den gleichen Zeitraum können keine anderen Zinsen nach den Vorschriften des § 233 bis § 237 AO berechnet werden. Die Berechnung von Säumniszuschlägen ist in der Fachwelt höchst umstritten. Der Säumniszuschlag stellt ein Druckmittel dar um den Steuerpflichtigen zur Zahlung zu bewegen. Ist der Steuerpflichtige aufgrund von Zahlungsunfähigkeit hierzu nicht in der Lage, geht dieses Druckmittel ins Leere. Ein Schuldner der über keine Mittel verfügt kann nicht zahlen und damit ist der Ansatz schuldentreibender Druckmittel mehr als bedenklich. Der Säumniszuschlag kann in diesem Fall aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise (Reduzierung auf Stundungszinsen) erlassen werden. Die Alltagspraxis bestätigt dass dem Erlassantrag regelmäßig teilweise bis auf die Höhe der Stundungszinsen (0,5% p.m = 6% p.a.) stattgegeben wird. Dies setzt allerdings voraus, dass die Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners belegt ist. Leider wird es oft von Steuerschuldnern versäumt diesen Erlassantrag zu stellen, so dass dann die Säumniszuschläge in voller Höhe (12% p.a.) eingetrieben werden. (Vergl. BFH BStBl 98,7;91,864,906;85,489;84,415;75,727 / AO Kommentar Ludwig Schmidt, 12. Auflage, S. 1388 RZ 56).
Verspätungszuschlag (§ 152 AO)
Werfen wir mit Bezug auf den Säumniszuschlag einen Blick auf zwei weitere Druckmittel der Finanzverwaltung. Gegen Steuerpflichtige die ihre Steuererklärungen wiederholt verspätet beim Finanzamt einreichen kann ein Verspätungszuschlag (§ 152 AO) festgesetzt werden. Grundsätzlich kann eine solche Festsetzung durch die termingerechte Abgabe der Steuererklärung vermieden werden. Bei verspäteter Abgabe einer Steueranmeldung (Umsatzsteuervoranmeldung, Lohnsteueranmeldung, Kapitalertragsteuer-Anmeldung u.a. im Sinne von § 168 AO) ist der Verspätungszuschlag durch besonderen Verwaltungsakt (Bescheid) festzusetzen. In allen anderen Fällen wird der Verspätungszuschlag gemeinsam mit der festzusetzenden Steuer in einem zusammengefassten Bescheid festgesetzt. Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags kann das Rechtsmittel des Einspruchs eingelegt oder Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen gestellt werden. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages ist eine erzieherische Maßnahme des Gesetzgebers, der den betroffenen Bürger dazu bewegen soll zukünftig seinen Erklärungspflichten termingerecht nachzukommen. Es handelt sich um eine so genannte „Kann-Vorschrift“ deren Anwendung im Ermessen der Finanzverwaltung bzw. des Finanzbeamten liegt.
Um ein Einspruchsverfahren erfolgreich durchzuführen, ist zu prüfen, ob die Ermessensgrenzen überschritten wurden oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (§ 152 Abs. 2 AO). Das Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn die Steuererklärung wiederholt nicht oder wiederholt nicht fristgemäß abgegeben wurde oder eine vom Finanzamt bewilligte Fristverlängerung (§ 109 AO) nicht eingehalten wurde. Etwaige Entschuldigungsgründe müssen im Einspruchsverfahren entschieden vorgetragen und bewiesen werden.
Der Verspätungszuschlag darf 10% der festgesetzten Steuer nicht überschreiten und höchstens 25.000 € betragen. Soweit das Rechtsmittel des Einspruchs wegen Fristversäumnis nicht mehr möglich ist oder Mangels ausreichender Begründung erfolglos erscheint, kann der Steuerpflichtige auch einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) stellen. Unbillig wäre die Festsetzung beispielsweise, wenn der Steuerpflichtige objektiv vermögenslos und unverschuldet in eine „schlechte“ Lebenssituation geraten ist. Der Antrag kann auch noch gestellt werden, wenn der Verspätungszuschlag bereits gezahlt wurde und eine Rückerstattung gefordert werden soll. Erfahrungsgemäß müssen schon erhebliche Gründe für einen Erlass sprechen, um die Finanzverwaltung zu einer solchen Entscheidung zu bewegen. Auch wenn Steuerpflichtige erfahrungsgemäß seit Jahren ihre Steuererklärung erst sehr spät (verspätet) beim Finanzamt einreichen und bis dato kein Verspätungszuschlag festgesetzt wurde, ist dies kein Garant für die Zukunft. Der Steuerpflichtige unterwirft sich ohne Not dem freien Ermessen des Finanzamtes. In der Praxis liegen die festgesetzten Verspätungszuschläge häufig über den Steuerberatungskosten die für die termingemäße Erstellung der Steuererklärung angefallen wären.
Zwangsgeldfestsetzung (§ 328 AO)
Wird ein Verspätungszuschlag ggf. festgesetzt wegen einer verspäteten Abgabe der Steuererklärung, so dient das Druckmittel der Zwangsgeldfestsetzung (§§328 AO) der Abgabe der Steuererklärung. Nach § 328 Abs. 1 AO können die Finanzämter Verwaltungsakte, mit denen sie von den Betroffenen die Vornahme einer Handlung oder ein Dulden oder Unterlassen verlangen, durch Auferlegung eines Zwangsgeldes erzwingen. Leider kommt es in der Alltagspraxis häufig vor, dass Bürger das gegen sie festgesetzte Zwangsgeld zunächst bezahlen und dann ihre Steuererklärung abgeben.
Tipp: Zahlen Sie niemals festgesetzte Zwangsgelder sondern reichen sie unverzüglich die geforderte Steuererklärung ein! Wurde die geforderte Steuererklärung eingereicht, ist das Druckmittel „Zwangsfestsetzung“ verwirkt. Soweit das Zwangsgeld noch nicht bezahlt wurde, ist es dann nicht mehr zu bezahlen, da die angeforderte Steuererklärung eingereicht wurde. Ärgerlich ist es natürlich wenn zum Zeitpunkt der Zwangsgeldfestsetzung ein Steuerguthaben beim Finanzamt bestand. In diesem Fall wird das Finanzamt das festgesetzte Zwangsgeld mit dem Guthaben verrechnen und natürlich die abzugebende Steuererklärung trotzdem einfordern.
Der Umgang mit Nebenforderungen auf Steuern wie Zinsen, Verspätungszuschläge und Zwangsgelder bedarf ebenso fachlichen Rat.
Stand März 2024