Entwicklung und Stand der Dinge:
Vorab in Kurzform:
Seit 2015 Verschärfung der Regelungen zur Selbstanzeige wie:
– Wirksame Selbstanzeige nur bei einer Nacherklärung von zehn anstatt fünf Jahren!
– Wirksame Selbstanzeige nur, wenn neben den Steuern auch die Hinterziehungszinsen gezahlt wurden!
– Staffelung des Zuschlags (§ 398a AO) bei hinterzogenen Steuern ab 25.000 € je Tat (§ 371 Abs. 2 AO)!
Allgemein:
Die allgemeine Diskussion über eine mögliche Abschaffung oder Einschränkung der „strafbefreienden Selbstanzeige“ entspricht dem Zeitgeist und der Entwicklung im internationalen Datenaustausch und Bankengeschäft. Wurden früher Kapitalanleger von den Banken noch mit Slogans motiviert wie „Wir schaffen Ihr Geld nach Luxemburg“, um ihr Geld möglichst „steuerfrei“ im Ausland anzulegen, so lautet die Fragestellung heute eher: „Wie bekomme ich mein Geld zurück?“ Viele frühere Auslandsbeteiligungen oder Tochtergesellschaften deutscher Anlageinstitute sind längst aufgelöst oder verkauft. Die „strafbefreiende Selbstanzeige“ war das „Vehikel“ der Finanzverwaltung, um an Steuern zu kommen, die ohne eine Selbstanzeige des Anlegers nicht festzusetzen waren. Länder wie Luxemburg, Österreich, Schweiz etc. galten als „Steueroasen“ und „lieferten“ ihre Kunden freiwillig nicht an deutsche Finanzbehörden aus.
Das war gestern! – Heute geht die Entwicklung mit großen Schritten Richtung vollautomatisierter Datenaustausch zwischen den Ländern. Länder, die diesem internationalen Druck nicht nachgeben, werden sanktioniert. Die Bandagen ergeben sich bereits aus den Informationspflichten der bilateralen Abkommen zwischen den Staaten zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (DBAs) und einer Steuerverkürzung. Der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gehören 34 Mitgliedstaaten an, die sich der Marktwirtschaft und Demokratie verpflichtet fühlen. Die modifizierten DBAs enthalten Klauseln zum Informationsaustausch und zur Amtshilfe, die dem OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch des OECD-Musterabkommens entsprechen (Artikel 24–27).
Eine weitere wirksame Neuerung ist die Regelung zu Gruppenabfragen. Die Abkommen verpflichten die Beteiligten zum Austausch aller Informationen, die für eine Durchsetzung des nationalen Steuerrechts voraussichtlich erheblich sind. So besteht erstmals ein Abkommen mit Liechtenstein, das bereits zum 01.01.2013 in Kraft getreten ist. Auch Luxemburg verzichtet ab 2015 auf eine anonyme Zinsbesteuerung und schließt sich dem automatisierten Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten an. Auch mit der Schweiz besteht ein entsprechendes DBA. Selbst die USA sind mit großen Schritten dabei, ihre Bürger über einen automatisierten Informationsaustausch zur Steuerehrlichkeit zu bekehren. Über das seit 2010 in den USA geltende Gesetz FACTA (Foreign Account Tax Compliance Act/Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit) verpflichtet die US-Finanzbehörde alle Banken dazu, den Finanzbehörden die für eine ordnungsgemäße Besteuerung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ab 2014 sind auch ausländische Finanzdienstleister zum Informationsaustausch hiernach verpflichtet. Deutschland hat ein analoges Abkommen mit den USA hierzu im Jahr 2013 abgeschlossen. Neben dem automatischen Datenaustausch bestehen umfassende Neuregelungen zum Austausch von Informationen aufgrund einer konkreten Nachfrage einer nationalen Finanzbehörde (EU-Amtshilferichtlinie/Amtshilfeersuchen). Unzulässig bleiben weiterhin unbegründete Anfragen (Fishing Expeditions).
Für den Datenaustausch der Zukunft erscheint alles geregelt. Streitig ist und teilweise rein technische Umsetzungsprobleme bereitet der Austausch von Daten aus der Vergangenheit. Teilweise ist dieser längst erfolgt, konnte jedoch bis dato noch nicht vollständig ausgewertet werden. Hinzu kommt der zeitliche Aufwand zur Auswertung übermittelter oder angekaufter Daten (CD). Per saldo ist es eine Frage der Zeit, bis „alles auf dem Tisch“ ist. Das „Vehikel“ der strafbefreienden Selbstanzeige verliert für den Gesetzgeber an Charme, wenn er über kurz oder lang ohnehin an die gewünschten Informationen zur Sicherstellung einer Besteuerung kommt. Insoweit sind Betroffene gut beraten, hier nicht länger beim Thema „strafbefreiende Selbstanzeige“ zu warten. Am Ende kostet die Zeche immer erheblich mehr, als sie einbrachte oder bei einer von Anfang an ordnungsgemäß durchgeführten Besteuerung gekostet hätte. Steuernachforderungen, eine Verzinsung von 6 % p.a., ein Strafgeld und ggf. der Makel des Vorbestraftseins sind ein hoher Preis.
Die strafbefreiende Selbstanzeige im Einzelnen:
Die gesetzlichen Grundlagen der „strafbefreienden Selbstanzeige“ sind in der Abgabenordnung in den Vorschriften des § 371 AO (Steuerstraftat) und § 378 Abs. 3 AO (Ordnungswidrigkeit) zu finden. Die Rahmenbedingungen für eine „strafbefreiende Selbstanzeige“ für Steuerhinterzieher (§ 371 AO) wurden in den vergangenen Jahren verschärft. Eine Selbstanzeige entfaltet bei Steuerhinterziehern nur dann die gewünschte Wirkung, wenn vom Steuerhinterzieher für den strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraum alle Angaben vollständig und lückenlos gemacht werden. Eine strafbefreiende Selbstanzeige sollte nicht in Eigenhilfe ohne fundierten fachlichen Rat formuliert und beim Finanzamt eingereicht werden. Handlungsfehler mangels Erfahrung können hier schnell zum Verlust der gewünschten Wirkung – der Straffreiheit – führen.
Zunächst ist zu prüfen, welcher Zeitraum der Steuerhinterziehung strafrechtlich relevant ist, d.h. strafrechtlich nicht verjährt ist. Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 StGB) und erhöht sich in besonders schweren Fällen auf fünfzehn Jahre (§ 376 AO i.V.m. § 78 Abs. 4 StGB).
Die besonders schweren Fälle sind in § 370 Abs. 3 AO beschrieben. Hier heißt es: „Ein besonders schwerer Fall liegt i.d.R. vor, wenn der Täter
- in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
[Gemäß Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.12.2011 (Az. 1 StR 579/11) ist zur Beurteilung/Gewichtung des „großen Ausmaßes“ zu trennen zwischen aktivem Handeln oder pflichtwidrigem Unterlassen. Im letzteren Fall ist von einer Steuerhinterziehung erst ab 100.000 € auszugehen, bei aktivem Handeln und der Erlangung von Steuervergünstigungen jedoch bereits ab einem Betrag von 25.000 €.]
- seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht,
- die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
- unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, oder
- als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.“
Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit Vollzug der Tat (§ 78a StGB) und damit mit Bekanntgabe des falschen Steuerbescheids. Soweit überhaupt keine Steuererklärung abgegeben wurde, beginnt die Verjährungsfrist nach herrschender Rechtsauffassung, wenn die Veranlagungsarbeiten der zuständigen Finanzbehörde zu 95 % abgeschlossen sind (BGH, Beschl. v. 07.11.2001 – 5 StR 395/01). Dann ist davon auszugehen, dass der Betroffene keine Erklärung mehr abgeben wollte. Erfahrungsgemäß ist hier jeweils vom 01.03. des zweiten auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres auszugehen (Steuer 2019: 01.03.2021).
Welche Handlungen sind zwingend zur Erlangung der Strafbefreiung erforderlich?
Der Straftäter muss sich offenbaren. Er muss alle zur Besteuerung erforderlichen Unterlagen vorlegen, Erklärungen abgeben und bereit und in der Lage sein, die hinterzogene Steuer zu bezahlen. Um dies zu gewährleisten, sind bei ungenauen Informationen oder noch fehlenden Unterlagen im Zweifel die Erträge höher zu schätzen und zu erklären. Die Steuerbescheide können ggf. im späteren Rechtsbehelfsverfahren mit den dann vorliegenden konkreten Informationen berichtigt werden. Stellt sich jedoch später heraus, dass die nacherklärten Angaben falsch waren und neuere Informationen zu einer deutlich höheren Steuernachzahlung führen (Bagatellgrenze unter 5 %), so tritt keine Strafbefreiung ein. Sobald das Finanzamt eine Erklärung des Steuerpflichtigen als „strafbefreiende Selbstanzeige“ einstuft, wird der Vorgang an die Bußgeld- und Strafsachenstelle weitergeleitet. Der Steuerpflichtige wird schriftlich über die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn informiert. Wird die Steuer aufgrund der Selbstanzeige neu festgesetzt und vom Steuerpflichtigen bezahlt und ergeben sich für die Finanzverwaltung keine weiteren Erkenntnisse, die an den Angaben des Steuerpflichtigen zweifeln lassen, wird das Strafverfahren wieder eingestellt.
In welchen Fällen ist keine „strafbefreiende Selbstanzeige“ mehr oder nur bedingt möglich?
Ganz klar: Soweit die Tat kurz vor der Aufdeckung steht, möchte der Gesetzgeber keine Strafbefreiung mehr ermöglichen. Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO tritt die Strafbefreiung nicht ein, wenn dem Täter eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) bekanntgegeben worden ist oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Naturgemäß ist auch keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr möglich, wenn der Betroffene bereits über die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens informiert wurde.
Das Gleiche gilt, wenn die Steuerstraftat ganz oder teilweise bereits entdeckt war oder der Täter mit der Tatentdeckung rechnen musste.
Sperrwirkung: Soweit die Steuerhinterziehung oder die Mitwirkung an einer Steuerhinterziehung einen Betrag von 25.000 € je Tat übersteigt, ist eine Strafbefreiung nur bedingt möglich. Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO i.V.m. § 398a AO kommt eine Einstellung des Strafverfahrens gegen den Straftäter dann nur gegen Zahlung der hinterzogenen Steuer und eines Strafgeldes i.H.v. 5 % der hinterzogenen Steuer in Betracht. In diesen Fällen ist demgemäß sorgfältig zu prüfen, ob nach dem Strafrecht (§ 78 Abs. 3 StGB, § 370 Abs. 1 AO, § 370 Abs. 3 AO) die fünf- oder fünfzehnjährige Verjährungsfrist zum Zuge kommt und ob der Grenzbetrag von 25.000 € innerhalb dieser Frist überschritten wurde. Werden hier Fehler gemacht, kann die Folge eine unwirksame Selbstanzeige mit allen Konsequenzen sein.
Selbst bei einer strafbefreienden Selbstanzeige treffen den Täter erhebliche finanzielle Lasten. Neben den nachzuzahlenden Steuern kommt es zu einer Verzinsung der hinterzogenen Beträge i.H.v. 6 % je Kalenderjahr (§§ 235, 238 AO). In der Praxis haben Steuerhinterzieher mit ihrem Vermögen oft diese jährliche Rendite nicht erzielt oder sich sogar mit ihren Geldanlagen verspekuliert und sind damit häufig nicht mehr in der Lage, die hinterzogenen Steuern zuzüglich der geforderten Zinsen zu entrichten. Auch dies kann zu einem Verlust der gewünschten Strafbefreiung führen (§ 371 Abs. 3 AO).
Welche Belege benötigt der Steuerberater, um tätig zu werden?
Für den gesamten Zeitraum, der zu einer Nachforderung von Steuern führen kann (Beispiel: 2010 bis 2020), wird sich ein Überblick über die wesentlichen Eckdaten verschafft. Hierzu werden Kopien der Steuererklärungen und Steuerbescheide (soweit welche erstellt wurden) und die erforderlichen Informationen zu den nichtversteuerten Einkünften (Beispiel: Jahreserträgnisaufstellungen und ggf. Steuerbescheinigungen bei den Kapitaleinkünften) benötigt. Im Rahmen der Arbeiten wird ebenso überprüft, ob es noch steuerliche Vorgänge zu berücksichtigen gilt, die zu einer niedrigeren Steuer führen und bis dato außer Acht gelassen wurden.
Belege zur Selbstanzeige:
- bei Kapitaleinkünften: Erträgnisaufstellung, Steuerbescheinigungen, Vermögensendstände zum 31.12. der jeweiligen Geldanlageinstitute je Jahr der Nacherklärung; bei sonstigen Einkünften: die Unterlagen hierzu
- Kopien der Steuerbescheide und Steuererklärungen, soweit welche abgegeben wurden
- Belege, die ggf. zu einer Steuerminderung führen und die bis dato noch nicht berücksichtigt wurden
Wer ist eigentlich Steuerhinterzieher?
In der Praxis wird von den Betroffenen der erfüllte Tatbestand der Steuerhinterziehung oft nicht erkannt. Nach dem Motto „Das macht doch jeder“ werden strafrechtlich bewehrte Handlungen ohne große Gewissensbisse oder Ängste vollzogen. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 08.03.2012 – 9 K 9009/08 rechtskräftig, dass bereits bei einem nicht wie unter Dritten üblichen Mietverhältnis mit Angehörigen, das im Ergebnis zu einem steuerlichen Verlust und damit zu einer Steuerminderung führt, der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist.
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist weit gefasst. Bereits der Versuch der Steuerhinterziehung, das pflichtwidrige In-Unkenntnis-Lassen der Finanzbehörde über steuerlich relevante Vorgänge (Beispiel: Schenkung, Erbschaft, Kapitaleinkünfte) und die Nichtabgabe von Steuererklärungen oder die Abgabe falscher Steuererklärungen sind strafbar. Da werden Tankbelege und sonstige Quittungen weitergereicht an denjenigen, der sie „absetzen kann“, es werden Arbeitsleistungen in Anspruch genommen, ohne dass Lohnsteuer abgeführt oder vom Unternehmer eine Rechnung gefordert wird. Unterschätzt werden regelmäßig die Folgen für weitere Beteiligte, denen die Beihilfe zur Steuerhinterziehung angelastet und nachgewiesen werden kann. Unabhängig von den strafrechtlichen Folgen, die im Einzelfall vielleicht noch mild ausfallen, stellt das Haftungsrisiko für den Beteiligten oft eine viel größere Gefährdung – insbesondere seiner wirtschaftlichen Existenz – dar. Das Gesetz (§ 71 AO) beschreibt den Haftungstatbestand wie folgt: „Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO.“ Neben dem Steuerhinterzieher stehen damit dem Fiskus noch weitere Personen zur Verfügung, die für den Hinterziehungsschaden haften. Es bedarf wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass der eigentliche Nutznießer und Steuerhinterzieher längst über alle Berge oder – vielleicht praxisnäher – vermögenslos ist.
Das Strafrecht unterscheidet zwischen dem Täter, dem Mittäter, einem mittelbaren Täter, einem Nebentäter und einem Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe). Strafrechtlich ist die „Beihilfe“ als vorsätzliches Hilfeleisten gegenüber einem anderen zu dessen vorsätzlicher rechtswidriger Tat definiert (§ 27 StGB). Beihilfe kann schon begehen, wer dem Steuerhinterzieher ein entscheidendes Mittel an die Hand gibt, um die Tat zu vollziehen. Die Beihilfe kann auch im „Nichtstun“ bestehen. Die bekanntesten Fälle aus der Tagespresse sind die Verfahren gegen Mitarbeiter der Banken und Vermögensanlageinstitute. Weniger bekannt, aber doch nahezu alltäglicher sind Fälle wie: „Auf die Handwerkerrechnung kann man verzichten, wenn es nur billiger wird“, der angestellte Buchhalter verbucht die Vorsteuer aus einer Rechnung, obwohl ihm diese Rechnung in korrekter Form nicht vorliegt, der Unternehmer erstellt eine Rechnung für eine erbrachte Leistung entsprechend den von der Realität abweichenden Textwünschen des Auftraggebers, die Vereinsbuchhalterin führt „schwarze Kassen“ für die „gemeinsame Sache“ usw. Helfer oder Teilnehmer einer Steuerstraftat kann jeder sein. Entscheidend für die Strafbarkeit und die hieraus folgende Haftungsinanspruchnahme ist, ob ihm die „Steuerhinterziehung“ bekannt war oder bekannt sein musste oder ob er sich grob fahrlässig („Will ich gar nicht wissen, wird schon richtig sein.“) über die Umstände im Unklaren ließ. Dies trifft den angestellten Buchhalter, den Bankmitarbeiter, den Steuerberater, die Mitarbeiter des Steuerberaters wie auch den bei der Zusammenveranlagung die Steuererklärung mitunterschreibenden Ehegatten.
Beihilfe ist die wissentliche Hilfeleistung zu einer vom Täter begangenen Straftat. Wo also beginnt die Beihilfe, wann sind Angestellte Hinterziehungsgehilfen? Sicherlich dann, wenn sie aktiv zur Steuerhinterziehung beraten; sicherlich dann, wenn bewusst falsche Buchungen, Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Zollpapiere, Rechnungsbelege und ähnliche Dokumente erstellt oder miterstellt werden; aber auch, wenn Tarnüberweisungen oder sonstige Geldverschiebungen vorgenommen werden. Auch wenn der Angestellte oder Gehilfe nur geringe oder überhaupt keine Vorteile aus der Steuerhinterziehungstat genießt und ihn vielleicht ein nur geringes Strafmaß trifft, steht das Haftungsrisiko hierzu im krassen Missverhältnis. Der Bauunternehmer ist pleite und der angestellte Buchhalter haftet mit seinem gesamten Vermögen für die hinterzogenen Steuern und Zinsen aufgrund wissentlich falsch erstellter Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Rechnungen.
Jeder sollte sich also über Risiken und Folgen einer Beihilfe zur Steuerstraftat bewusst sein. So hat das Landgericht Paderborn am 14.11.2012 – 1 KLs 6 Js 81/08 – 5/11 den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.
Mitangeklagt waren auch zwei Steuerberater des Steuersparmodells „Steuerstrategie Null“. Auch die „Verschiebung von Steuerfälligkeiten“ ist strafbar. Hier greift in vielen Fällen das steuerstrafrechtliche Kompensationsverbot. Ein Unternehmer, der beispielsweise im Monat Februar eines Jahres eine falsche Umsatzsteuer-Voranmeldung in der Form abgegeben hat, dass er eine geringere Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen musste, und dies mit der Voranmeldung vom Oktober des Jahres wieder ausgeglichen hat, muss sich dennoch den Vorwurf der Steuerhinterziehung in Höhe der im Februar wissentlich falsch ausgestellten Umsatzsteuer-Voranmeldung gefallen lassen. Eine Verrechnung mit der späteren Ausgleichszahlung lässt das Kompensationsverbot nicht zu.
Auch kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass ein Beteiligter einer Steuerstraftat für sich persönlich beim Finanzamt eine strafbefreiende Selbstanzeige abgibt und damit zwangsläufig die übrigen Beteiligten anzeigt. Für diese ist dann in den meisten Fällen keine Strafbefreiung mehr möglich. Typischer Fall: Der Privatmann, der einen Handwerker ohne Erhalt einer Rechnung zur Ausführung einer Bauleistung beauftragt hat, will Garantieansprüche gerichtlich geltend machen. Vorher informiert er das Finanzamt über die „fehlende“ Rechnung des Handwerkers. Gegen den Handwerker, den eigentlichen Steuerschuldner, wird dann ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Die Folgen aufgedeckter Steuerstraftaten sind je nach Schwere des Falls aufwendige und den Betroffenen in seinem Leumund schädigende und in seiner Handlungsfreiheit einengende Maßnahmen, die häufig mit drastischen finanziellen Folgen und in besonders schweren Fällen mit Gefängnishaft verbunden sind. Wurde ein Strafverfahren eingeleitet, kann bei professioneller steuer- und strafrechtlicher Vertretung in vielen Steuerhinterziehungsfällen die Einstellung des Verfahrens gegen Auflage (Zahlung eines deutlichen Aufgeldes neben Steuern und Zinsen) erreicht werden. Wichtig ist hier, dass erfahrene Steuerfachleute mit erfahrenen Strafrechtlern frühzeitig zusammenarbeiten und in das Verfahren eingreifen – nicht erst bei Erhalt der Anklageschrift. Als Fazit gilt festzuhalten: Steuerstraftaten und auch eine strafbefreiende Selbstanzeige kosten am Ende immer mehr Geld als eine zeitnahe, ordnungsgemäße Besteuerung.
Wie kommt es zu einer einvernehmlichen Einstellung des Steuerstrafverfahrens?
Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO
Möglich ist die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens gegen Auflage. Das Verfahren wird aus Gründen der Verwaltungsökonomie und um den Steuerpflichtigen, der sonst unbescholten ist, nicht zu „kriminalisieren“ gegen Leistung einer Auflage eingestellt. Hierzu ist die Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts erforderlich. In besonders schweren Fällen ist dies nach gängiger Praxis nicht möglich (z.B. Steuerhinterziehung ab 1 Mio. €). Es handelt sich i.d.R. um eine Geldauflage, die je nach Schuld des Hinterziehers zwischen 20 % und 80 % der hinterzogenen Steuer beträgt. Auch hier kommt es in der Praxis auf die Plausibilität der Verteidigungsstrategie an.
Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO
Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass es sich nur um einen „Bagatellfall“ handelt und die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und auch kein öffentliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens besteht, so kann mit Zustimmung des Gerichts das Verfahren eingestellt werden. Die Frage, ob die Schwere der Tat als gering anzusehen ist oder es sich um einen sogenannten Bagatellfall handelt, wird in Deutschland leider äußerst unterschiedlich beurteilt. Gehen in ländlichen Gegenden sowie in bestimmten Bundesländern wie beispielsweise Sachsen die Strafverfolgungsbehörden bei einer Steuerhinterziehung von 250 € und weniger von einem „Bagatellfall“ aus, so sehen in vielen Großstädten und in den liberaleren Bundesländern wie Hessen die oft überlasteten Strafverfolgungsbehörden Steuerhinterziehungsfälle von 2.500 € und weniger als geringfügig an. Hier kommt es im Einzelfall oft auf den tatsächlichen Lebenssachverhalt und natürlich auf das Verhandlungsgeschick der Verteidiger (Steuerberater u.a.) im Verfahren an. Die Einstellung nach § 153 StPO ist keine „weiße Weste“.
Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO
Bieten die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung keinen Beleg, der eine Steuerstraftat erkennen lässt, so ist das Verfahren einzustellen. Der Beschuldigte wird hierüber schriftlich informiert. Es ist ein Freispruch vom Verdacht mit „weißer Weste“. Der Anfangsverdacht – oft nach Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige, die sich dann als zulässig und damit rechtmäßig herausstellt – konnte nicht erhärtet werden