Die Überprüfungen der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuervoranmeldung des Unternehmers.
Umsatzsteuersteuerpflichtige Unternehmer müssen die ihren Kunden in Rechnung gestellte oder vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dies erfolgt im Rahmen einer Selbsterklärung durch den Unternehmer, der sogenannten Umsatzsteuervoranmeldung. Der Unternehmer hat bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat (§ 18 UStG). Voranmeldungszeitraum ist in der Regel der Kalendermonat. Beträgt die abzuführende Umsatzsteuer nicht mehr als jährlich 7.500 €, ist der Voranmeldungszeitraum das Vierteljahr. Gemäß § 13 Abs. 1 UStG entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wird. Wird das Entgelt bereits vereinnahmt bevor die Leistung ausgeführt wurde (Anzahlungs- oder Vorschussrechnung), so entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Gemäß § 20 Abs. 1 UStG wird auf Antrag gestattet, dass Freiberufler und nicht buchführungspflichtige Gewerbetreibende die Umsatzsteuer nach „vereinnahmten Entgelten“ berechnen. Das heißt, die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, indem das Entgelt vereinnahmt wurde. Die gleiche Regelung kann auf Antrag angewendet werden, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 € (bis 2023: 600.000 €) betragen hat. Im Falle der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten wird von einer Ist-Besteuerung gesprochen.
Von der an das Finanzamt abzuführenden Umsatzsteuer kann der Unternehmer, nach den gesetzlichen Regelungen, die Umsatzsteuer abziehen, die seinem Unternehmen in Rechnung gestellt wurde. Fachlich spricht man hier von dem sogenannten Vorsteuerabzug nach den Regelungen des § 15 UStG. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass dem Unternehmer eine ordentlich ausgestellte Rechnung vorliegt, aus der die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer hervorgeht (§ 15 UStG). Darüber hinaus muss die in Rechnung gestellte Leistung oder die Zahlung hierzu erbracht sein.
Insbesondere bei Existenzgründern oder im Rahmen größerer Investitionen, ggf. auch in umsatzschwachen Zeiten, kommt es vor, dass der Unternehmer einen Anspruch gegenüber dem Finanzamt aus einem Vorsteuerüberhang (Umsatzsteuererstattungsanspruch) geltend macht. Dies bedeutet, die vom Unternehmen gezahlte Umsatzsteuer aus den Eingangsrechnungen, der sogenannten Vorsteuer, übersteigt die den Kunden in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Voranmeldungszeitraum. Im Regelfall veranlasst dann das zuständige Finanzamt die Auszahlung des Guthaben-Betrages an den Unternehmer. Mit Blick auf das hier bereits angewendete vollautomatische Besteuerungsverfahren bestehen offenbar für die Finanzverwaltung erhebliche Missbrauchsrisiken. Nach Auskunft der Finanzverwaltung entstehen dem deutschen Fiskus durch Umsatzsteuer-betrug jährlich Einnahmenverluste in Milliardenhöhe. Dies betrifft insbesondere auch den grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb des EU Binnenmarktes.
Ob die Anspruchsvoraussetzungen für einen Vorsteuerabzug oder für eine Umsatzsteuerbefreiung tatsächlich erfüllt sind, kann im Einzelfall von einer Vielzahl von zu prüfenden Punkten ab-hängen. Die Finanzverwaltung hat in den vergangenen Jahren sich stets bemüht die Anzahl der Prüfungsverpflichtungen zu Lasten des Unternehmers zu erhöhen. Ein Beispiel hierzu ist das „Merkblatt der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuer/Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots“. Soweit der Unternehmer die Umsatzsteuervoranmeldungen durch einen Steuerberater erstellen lässt, der auch für die Belegprüfung/Verbuchung verantwortlich ist, kann ihm wohl im Fall eines Fehlers kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden.
Anders ist dies der Fall, wenn die Umsatzsteuer Voranmeldung durch den Unternehmer selbst leichtfertig, ohne Beachtung der einschlägigen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften und unternehmerischen Sorgfaltspflichten, erstellt wird. Hier können dem Unternehmer im Einzelfall erhebliche steuerstrafrechtliche Konsequenzen treffen. Welche Möglichkeiten hat nun die Finanzverwaltung, um sich vor einem Missbrauch zu schützen? Treten beim Finanzamt Zweifel an der Richtigkeit der vom Unternehmer eingereichten Umsatz-steuer-Voranmeldung auf, so bietet die sogenannte Umsatzsteuernachschau (§ 27b UStG) eine schnelle und weitgehend formlose Überprüfungsmöglichkeit. Das Finanzamt kann einen Umsatzsteuerprüfer, ohne weitere Ankündigungen, zum Unternehmer entsenden. Der Prüfer hat das Recht, die Grundstücke und Betriebsräume des Unternehmers während der üblichen Geschäftszeiten zu betreten und seine Prüfungshandlungen durchzuführen. Dies gilt jedoch nicht für die private Wohnung des Unternehmers. Der Prüfer hat sich als Amtsträger auszuweisen und den Grund seines Erscheinens offenzulegen. Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Prüfer auf Verlangen Aufzeichnungen, Buchhaltungsunterlagen, Geschäftspapiere und andere Unterlagen, die zur Klärung des Sachverhaltes erforderlich sind, vorzulegen. Die Verpflichtung bezieht sich jedoch nicht auf bereits umsatzsteuerlich abgeschlossene Zeiträume oder andere Steuerarten wie der Einkommensteuer. Dies ist in der Praxis für den Unternehmer schwer einzuordnen.
Tipp: Der Unternehmer sollte sich vom Prüfer genau erklären lassen auf welchen konkreten Sachverhalt sich die Prüfung bezieht und welche Unterlagen oder Nachweise verlangt werden. Dann sollte er unverzüglich seinen Steuerberater informieren und je nach Umfang und Größenordnung des Falles zum Termin bitten.
Der Prüfer ist jedoch berechtigt bereits vor dem Eintreffen des Steuerberaters mit seinen Prüfungshandlungen zu beginnen.
Wichtig: Bei der Umsatzsteuer-Nachschau handelt es sich um ein Zutrittsrecht zum Geschäftsgrundstück/in die Firmenräume, aber nicht um einen Durchsuchungsrecht. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Prüfer in Einzelfällen recht forsch auftreten.
Hierbei sind zwei Punkte sehr bedenklich. Einmal stellt der Prüfer vorbereitet und gezielt Fragen an den Unternehmer, ohne dass sich dieser über die Konsequenzen seiner Antwort rechtlich im Bilde ist. Es stehen sich fachlich ungleiche Gesprächspartner gegenüber. Damit besteht die Gefahr, dass sich der Unternehmer ohne Kenntnis und Not mit seinen Auskünften in eine schlechte Position bringt, die sich für ihn ggf. steuerlich nachteilig auswirkt. Den Prüfer trifft hierbei keine besondere Aufklärungspflicht. Diese Situationen kann durch Herbeiziehung eines Steuerberaters vermieden werden. Im Zweifel, sollte der Unternehmer besondere Auskünfte und Erklärungen bis zum Eintreffen des Steuerberaters vermeiden oder verweigern. Eventuell reicht schon die telefonische Hinzuschaltung des Steuerberaters zur Klärung der Situation. Bedenklicher ist der zweite Punkt. Hierbei geht es um den unter Umständen fließenden Übergang von einer normalen steuerlichen Überprüfung eines Sachverhaltes zu einer strafrechtlichen Ermittlung gegen den Unternehmer. Es besteht die Gefahr, dass der Unternehmer sich mit seinen oft freimütig erteilten Auskünften selbst strafrechtlich belastet ohne dies zu erkennen. Die Betriebsprüfungsordnung schreibt in § 10 BpO für den Betriebsprüfer zwingend vor, dass beim Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Steuerstraftat, die Prüfung zu unterbrechen ist. Weitere Ermittlungen können dann erst durchgeführt werden, wenn der Unternehmer über die Einleitung eines Strafverfahrens informiert und rechtlich belehrt wurde. In der Praxis beendet der Prüfer in diesem Fall seine Prüfungshandlungen und über das weitere Verfahren entscheidet die Strafsachenstelle nachdem der Unternehmer schriftlich über die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens informiert wurde.
Wichtig: Die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) besteht während der Umsatzsteuer-Nachschau nicht. Dies ist jedoch mit Beendigung der Prüfungshandlungen, nach dem Verlassen der Geschäftsräume durch den Prüfer, möglich. Soweit mit der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zu rechnen ist, ist hier im konkreten Einzelfall höchste Eile geboten. Nach Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ist die Erlangung von Straffreiheit durch Abgabe einer Selbstanzeige nicht mehr möglich.
Typische Praxisfälle für eine Umsatzsteuernachschau, d.h. dem unangemeldeten Erscheinen eines Umsatzsteuerprüfers beim Unternehmer sind:
- Rechnungsstornierungen und hohe Eingangsrechnungen, die zu einer Umsatzsteuererstattung führen;
- Vorsteueransprüche aus eigenen Bauaktivitäten des Unternehmers für seinen unternehmerischen Bereich, die gut durch Sichtung der Maßnahmen vor Ort überprüft werden können (Bei-spiel: Bau eines Wohn- und Geschäftshauses mit entsprechender Zuordnungsproblematik der Vorsteuerbeträge für den unternehmerischen und privaten Bereich);
- Existenzüberprüfungen bei neu gegründeten Unternehmen;
- Überprüfungen ob kostenintensive Anschaffungen überhaupt getätigt wurden und dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind;
- die geltend gemachten Vorsteuerbeträge sind nicht üblich und weichen von den Branchenwerten erheblich ab;
- hohe innergemeinschaftliche (EU-Raum) Erwerbe und Lieferungen;
- Verträge des Unternehmers mit nahestehenden Personen, wie Angehörigen und Gesellschaftern und die Auswertung von Kontrollmitteilungen anderer Behörden.
Nützlich für die Finanzverwaltung sind hierbei die komplexen elektronischen Risikomanagementsysteme, die eigenständig Vorgänge zur Überprüfung anregen. Nach Schätzung der Fachwelt werden etwa zwei Prozent der Unternehmen mit einer Umsatzsteuer-Nachschau konfrontiert.
Wichtig: Gemäß § 27b Abs. 3 UStG kann das Finanzamt, ohne vorherige Ankündigung, von einer Umsatzsteuer-Nachschau zu einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung (193 AO) übergehen.
Nach Ansicht der Fachwelt ist dies in etwa 10 % der Fälle einer Umsatzsteuer-Nachschau der Fall. Auf den Übergang muss das Finanzamt jedoch schriftlich hinweisen. Die Umsatzsteuersonderprüfung handelt nach den normalen Regelungen der Betriebsprüfung. Im Gegensatz zur Betriebsprüfung, erfolgt die Prüfung jedoch nicht über einen Prüfungszeitraum von mehreren abgeschlossenen Veranlagungsjahren, sondern nur über einen oder mehrere Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume. Geht der Umsatzsteuer-Sonderprüfung keine Umsatzsteuer Nachschau voraus, wird diese im Vorfeld dem Unternehmer durch eine schriftliche Prüfungsanordnung bekannt gegeben. Aus der Prüfungsanordnung sind das Datum des Prüfungsbeginns und der zu prüfende Sachverhalt ersichtlich. Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung erfolgt in der Praxis eine deutlich tiefer gehende Überprüfung von umsatzsteuerlichen Vorgängen. Hierbei arbeiten die örtlichen Finanzbehörden mit überörtlichen Finanzbehörden eng zusammen. Nicht selten liegt den Prüfern bereits bei Prüfungsbeginn umfangreiches Kontrollmaterial aus Erkenntnissen der Überprüfungen bei Lieferanten und Kunden des Unternehmers vor.
Zur effektiven Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs wurde dem Bundeszentralamt für Steuern die „Zentrale Stelle zur Koordinierung von Prüfungsmaßnahmen in Länder und staatenübergreifen-de Umsatzsteuerbetrugsfälle“, Kurzbezeichnung „KUSS“, zugeordnet. Aufgabe der KUSS ist es die Maßnahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und die Steuerfahndung in länderübergreifenden Fällen zu koordinieren.
Wichtig: der Unternehmer darf es nicht versäumen, aufgedeckte Unrichtigkeiten in seiner Umsatzsteuervoranmeldung, auch bei der folgenden Umsatzsteuerjahreserklärung, richtig zu erfassen bzw. umfassend zu berichtigen.
Ein häufiger Praxisfehler ist die Berichtigung einer Voranmeldung, ohne die entsprechende Korrektur oder des Vorgangs in der Buchhaltung. Hierzu zählt beispielsweise die Berichtigung des Vorsteueraufteilungsschlüssels bei gemischt genutzten Gebäuden oder in ähnlichen Fällen. Hier besteht das Risiko, dass der Fehler in der Umsatzsteuervoranmeldung im Rahmen der Erstellung der Jahreserklärung wiederholt und damit ein weiterer eigenständiger Steuerstraftatbestand verwirklicht wird. Die Erkenntnisse aus einer Umsatzsteuernachschau oder Umsatzsteuersonderprüfung sind somit im Rechnungswesen des Unternehmens unverzüglich umzusetzen.
Der vorstehende Beitrag soll aufzeigen, dass Lebenssachverhalte, die hinsichtlich ihrer umsatzsteuerlichen Relevanz zu überprüfen sind, nicht leichtfertig und risikolos zu Gunsten des Unternehmers gelöst werden können. Zur Vermeidung empfindlicher steuerlicher Nachteile und einer steuerstrafrechtlichen Inanspruchnahme des Unternehmers, bedarf es einer profunden Fallüberprüfung durch den hierzu beauftragten Steuerberater. Der anfallende Kostenaufwand steht regelmäßig in keinem diskussionswürdigen Verhältnis zu dem Risiko des Unternehmers.
letzte Aktualisierung: 07.01.2024